Die Rückmeldungen sprechen eine klare Sprache: Die Probleme sind nicht punktuell, sondern strukturell. Viele Beschäftigte berichten von Überlastung, instabilen Abläufen, einer Angstkultur und einem Klima, in dem Kontrolle mehr zählt als Vertrauen und Fachlichkeit. Die professionelle Betreuung der Klient:innen ist dadurch gefährdet. Wenn Mitarbeitende aus Loyalität weiterarbeiten, obwohl sie längst am Limit stehen, zeigt das den Ernst der Lage. Zeit zu handeln.
Die Geschäftsleitung beschwichtigt die Berichterstattungen Rund um MitMänsch und verweist auf «einige wenige Wohngruppen». Diese Darstellung steht im krassen Widerspruch zu den hunderten Erfahrungsberichten, die die Unia erhalten hat. Die Missstände sind keine Ausnahmen, sondern Ausdruck eines autoritären Führungsverhaltens, das in einer sozialen Institution völlig fehl am Platz ist. Oder anders gesagt: Wer Missstände derart verharmlost, beweist nicht Führungsstärke, sondern schlicht Realitätsverweigerung.
Dass der Kanton inzwischen ein externes Audit angeordnet hat, ist ein Teilerfolg der Beschäftigten und ein direkter Effekt des öffentlichen Drucks. Doch der Umgang der Direktion mit dieser Prüfung bereitet Sorge. Bereits wenige Tage nach Ankündigung des Audits wurden gegenüber dem Personal Botschaften verbreitet, die einschüchternd wirken und suggerieren, dass nur die Direktion kontrolliere, kommuniziere und deute.
Die Unia stellt unmissverständlich klar: Ein Audit dient nicht dazu, die Version der Geschäftsleitung zu bestätigen, sondern die Wahrheit ans Licht zu bringen. Damit dies gelingt, müssen alle Mitarbeitenden anonym sprechen können, ohne Angst vor Repressionen, Schuldzuweisungen oder subtilen Strafen. Die Gewerkschaft Unia fordert dies aktiv ein und unterstützt ihre Mitglieder bei Fragen und Ihren Anliegen.
Besonders heikel ist die Argumentation der Direktion gegenüber den Beschäftigten, wonach die «stabile Finanzlage» Voraussetzung für sichere Arbeitsplätze sei. Damit wird Kritik moralisch diskreditiert und den Mitarbeitenden indirekt Verantwortung für Missstände zugeschoben. In Wirklichkeit gefährden nicht die Beschäftigten den Betrieb, sondern die schlechten Rahmenbedingungen, die ihnen professionelle Arbeit erschweren.
Die Gewerkschaft Unia hält entschieden dagegen: Die Beschäftigten kämpfen hier primär nicht für Privilegien wie mehr Lohn, sondern für die Sicherheit und Würde der Klient:innen. Wer Missstände benennt, schützt Menschen und er gefährdet sie nicht.
Nach Jahren der Überlastung genügt kein Feintuning mehr. MitMänsch braucht eine grundlegende Neuaufstellung. Ein verbindlicher Gesamtarbeitsvertrag ist dafür der einzige glaubwürdige Weg, weil er stabile Standards für Personalressourcen, Arbeitszeiten, Qualifikation und Gesundheitsschutz schafft. Alles andere wäre reine Kosmetik.
Mehr als 2000 Unterzeichnende zeigen, wie gross der Veränderungswille ist. Die Mitarbeitenden waren lange geduldig. Jetzt ist ihre Stimme nicht mehr zu überhören. Die Verantwortung liegt bei jener Führung, die diese Situation entstehen liess und die nun entscheiden muss, ob sie Teil der Lösung sein kann oder ob sie Platz machen muss für einen echten Neuanfang.
Der Nikolaustag steht für Mut und Gerechtigkeit. Für MitMänsch könnte er zum Symbol eines notwendigen Schnitts werden: Echter Wandel braucht neue Strukturen und die Bereitschaft, die Konsequenzen aus den eigenen Fehlern zu ziehen.
Kontakt: Martin Dremelj, Leitender Gewerkschaftssekretär Unia Sektion Oberwallis
Gewerkschaft Unia 2025